Sprachen und Klänge der Natur

Naturexpedition mit Barbara Kastura


Mit fragendem, liebevollem und von Herzen kommendem Sehen entfaltet sich ein ganz anderes Weltgeschehen. In der Begegnung mit dem Leben ereignen sich unerklärliche Dinge, die an Wunder grenzen. Davon zeugt das Projekt wundersam.

 

Dem Klang des Flusses und des Sees und ihren Ufern lauschen. Aufmerksam und achtsam antworten mit Zeichenblock, Stimme und Bewegung. Die Erzählung "Im Einklang mit der Natur" wird gemeinsam erforscht, erlebt und geschrieben.

 

Am Sonntag, 6. August 2023, fand sich eine kleine Gruppe von Interessierten im Projektraum wundersam im Kulturlokal Fürth ein, um an einer besonderen Naturexpedition teilzunehmen, zu der Barbara Kastura eingeladen hatte. In der ersten Stunde, während es draußen noch heftig regnete, führte Barbara in ihre Weise des künstlerischen Forschens und in ihre naturpädagogische Arbeit ein. Sie zitierte Texte von Robert Josef Kozljanic und Derrick Jensen: Mit dem Auge des Herzens sehen und die Natur fragen, fragen, fragen. Auch der von ihr sehr geschätzte John O´Donohue mit seinem Buch Anam Cara - Seelenfreund - durfte dabei nicht fehlen. Naturbegegnung, so wie Barbara Kastura sie versteht, ist in erster Linie Begegnung mit sich selbst als einem resonanzfähigen Wesen. Kleine Theater- und Bewegungsübungen lockerten Stimmen und Körper. So gestimmt ging es nach draußen.

 

Es hatte zu regnen aufgehört, der Himmel lichtete sich und im Wind flatterten die Blätter an Büschen und Bäumen. Die Gruppe ging in Stille und mit verfeinerter Wahrnehmung an einen von der Rednitz gespeisten, waldumsäumten Weiher und blickte dort über das glitzernde Wasser in funkelndes Licht auf den Wellen und zwischen im Wind rauschenden Blättern. Die zu Beginn bei den Theaterübungen erlernten Ausdrucksformen halfen jetzt weiter: Mit Summen, Tönen und Bewegungen wurde die Landschaft des Wassers, des Windes, des gegenüberliegenden Ufers und der Bäume „gezeichnet“ - mit dem durchsichtigen geheimnisvollen Luftraum als Leinwand. Die Teilnehmer*innen verwandelten sich in tänzerische zarte Pinsel mit sich selbst. Sie komponierten zeichnerisch sanfte Bilder und Lieder der Lüfte und schenkten diese von Moment zu Moment als Verwunderung und Antwort der Landschaft am See. Es war ein kostbarer Moment mit kreativ-schöpferischen Gesten und summenden Tönen. Wie der Flügelklang der Bienen um die Blüten der Bäume. Ein grandioser Eindruck.

 

Dann ging es wieder in die Stille, jede*r suchte sich einen passenden Ort und notierte und skizzierte Eindrücke wie von Barbara aufgetragen. Als die Gruppe wieder zusammenkam, verdunkelte sich der Himmel und entließ einen kurzen kräftigen Schauer aufs Wasser und auf das Blätterdach, unter dem alle vor dem Nass gut geschützt waren. Voll mit Eindrücken ging es dann wieder zurück in den Projektraum, wo man gerade noch rechtzeitig ankam, als es wieder zu regnen begann. Es war, als hätte die Natur sich eigens für diesen Ausflug von ihrer freundlichen und auch kraftvollen Seite gezeigt. Angeregt und angeleitet von Barbaras Ausdruckskunst teilten dann alle in kreativen Miniaturen ihre Eindrücke von ihrem Sein in und mit der Natur – singend, erzählend, mimetisch, poetisch. „Regentropfen im See. Wo war ich, als ich geboren wurde?“, lautete beispielsweise der Text von Ilona Keil-Beruchashvili, einer der Teilnehmer*innen. Nach vier Stunden gemeinsamen Forschens, Wahrnehmens, Erlebens und Teilens entließ Barbara ihre beglückten, wie verzaubert wirkenden Gäste wieder in den Alltag – die Welt war eine andere geworden, sie hatte zu singen begonnen.

 

Mit ihrem naturpädagogischen und künstlerischen Schaffen möchte Barbara Kastura dazu beitragen, die Wesenszüge „unserer inneren Gärten“ wieder zu entdecken und zu entfalten. Sie vermittelt das Erlebnis, die Gemeinsamkeit von Mensch, Blume und Tier im fließenden Leben wahrzunehmen. „Wenn wir uns nur mutig darauf einlassen, können wir die Zuneigung des Gesehen-Werdens der uns umgebenden Schöpfung und der Geschöpfe spüren. Ich nenne es das Entgegenkommen.“

Erkundung und Vermittlung einer verfeinerten Wahrnehmung
der Sprachen der Natur

 

Die unsichtbaren Kräfte
den Schwingen von Flügeln gleich
Aufwärts und Abwärts umkreisend
das Ende zum Anfang führen

 

Seit gut einem Jahrzehnt durchwandert die Künstlerin und Naturpädagogin Barbara Kastura, Initiatorin und Kuratorin des Projekts wundersam, die heimischen Landschaften und die dort schon lange verweilenden Natur (in deren kulturlandschaftlich geprägten Form). Es sind Weisen der Erkundung, fragend und spürend den Bäumen, Pflanzen und Tieren und auch den Flüssen, Steinen und Wolken gegenwärtig und unmittelbar – begriffslos und mit dem Herzen - zu begegnen.

 

Barbara Kasturas intuitive, spürende Naturerkundung ist geprägt von Ehrfurcht vor dem Leben und von einer (Innen-)Schau, die an uralte menschliche Wurzeln des In-der-Welt-Seins zurückreicht bzw. anknüpft. Dabei offenbaren sich in manchen Augenblicken gegenwärtige Qualitäten des Wahrnehmens und Erkennens einer beseelten Natur, die uns ihrerseits auf tausendfache Weisen wahrnimmt und zu uns in feinsten Nuancen und Zwischentönen spricht. Was in unseren modernen und durchrationalisierten Zeiten entrückt klingen mag, ist stärkende Gewissheit und beglückende Erkenntnis: Als Mensch auf eine tiefe, intuitive, ja mystische Weise mit den Geschöpfen der mehr-als-menschlichen Mitwelt in Kontakt treten zu können und als zugehörig verbunden zu sein. Mit fragendem, liebevollem und von Herzen kommendem Sehen entfaltet sich ein ganz anderes Weltgeschehen. In der Begegnung mit dem Leben ereignen sich unerklärliche Dinge, die an Wunder grenzen. Davon zeugt das Projekt wundersam.

 

Im Zuge des Projekts wundersam verfeinert die interdisziplinäre Künstlerin und Naturpädagogin Barbara Kastura ihr Forschungs-Konzept. Der Schwerpunkt von wundersam liegt in der Erkundung und Vermittlung der Sprachen der Natur. Die Aufmerksamkeit wendet sich der Stille und den Ausdrucksformen der Klänge und Bewegungen von Tag- und Nachtwelten zu. Diese zeigen sich begriffslos in mikro- und makroskopischen Strukturen und Rhythmen, in Tönen, Formen, Gerüchen und (Augen-)Blicken. Die Einordnung dieses Wahrnehmens und der sich daraus entfaltenden Weltsicht lässt sich vielfältig differenzieren.

 

Ziel dieser Forschung und der damit verbundenen Projekte und Aktivitäten ist es, Menschen jeglichen Alters, Herkunft und Profession zu einer inspirierten (Natur)-Wahrnehmung anzuregen und sie dazu zu befähigen, mit dem „Auge des Herzens“ zu sehen. Es werden Begegnungsräume geschaffen und gestaltet, die es ermöglichen, der Wesenhaftigkeit und Beseeltheit der Kreaturen unserer Heimat Erde auch in sich selbst zu begegnen und so die Ehrfurcht vor dem Leben wiederzuerlangen und zu bestärken.

 

Viele Wege führen dorthin und schaffen Grundlagen, um Respekt und Ehrfurcht vor dem Leben der Geschöpfe sowie Intuition und kreativen Ausdruck als Kompetenzen zu entwickeln und zu fördern. Die Entwicklung und Umsetzung geschieht aus der Überzeugung heraus, dass mit darin vermittelten panpsychistischen und naturreligiös inspirierten Ideen, Wahrnehmungen und Einstellungen ein friedlicherer und respektvollerer Umgang mit sich selbst und der lebendigen Schöpfung entstehen kann.

 

Auf Grundlage der hier vermittelten Kompetenzen kann ein verfeinertes Zusammenspiel und Entgegenkommen der Geschöpfe dieser Erde mit den Menschen gemeinsam entdeckt, durchlichtet, berührt und gehegt werden.

 

Eine Produktion der Einfachheit: Jeder Tag ist ein neuer Tag und eine Chance, um die Lebensweisen im Alltag auf erfüllte, sinnliche und kostbare Weisen zu erkunden, zu vereinfachen und zu entfalten. Jeder Augenblick kann ein Moment der Würde und der Schönheit sein im Vierklang der Verwunderung: Gemeinsames Erkunden der inneren Gärten. Lange-Weile vor Ort. Für die Schönheit und Verletzlichkeit der Natur sensibilisieren. Die lebendige Verbindung zueinander und zur Natur erleben.

 

Indem die Geschöpfe der uns umgebenden Natur und unsere menschliche Natürlichkeit angesprochen und erkundet werden, entwickelt sich ein tieferes Verständnis der Verantwortung für alle Lebewesen der Erde. Eine verfeinerte Wahrnehmung lässt uns die Komplexität und Schönheit der Schöpfung erkennen und unterstützt uns dabei regenerativ zu leben und zu wirken.

 

 

Sehen und gesehen werden

 

Menschen, Pflanzen, Wolken, Tiere, Landschaften, Flüsse, Organisationen, Sprachen, Steine, Elemente und die Winde der fünf Jahreszeiten. wundersam Expeditionen sind die kreative Durchforstung dieser Lebenswälder. Sie öffnen einen gemeinsamen Begegnungsraum und fördern das Entgegenkommen der Geschöpfe der Natur mit der menschlichen Natürlichkeit. Eingespielte Denk- und Wahrnehmungsweisen werden umgedreht und vielfältig durchlichtet.

 

Die Mitwirkenden erleben sich als experimentell Forschende in einem umfassenden, lebendigen Erfahrungs- und Erkenntnisgeschehen. Jede Betrachtungsweise ist wertvoll und birgt unendliches Potenzial im gemeinsamen Prozess. Leben begegnet Leben.

 

Lange Weile ist ein Geschenk und das Tor der Stille zur Gegenwart und Vielfalt des Lebens, durch das der Duft von Lindenblüten weht und über dem die Schwalben fliegen, während der Wind die Blätter flüstern lässt von ungeahnten Reichen lebendiger Seelen, milliardenfach schimmernd durch Erde, Luft und Wasser und feuriges Licht.

In der Langen Weile zerfließen die Gedanken zu leeren Worten und wollen gefüllt sein von lebendigen Eindrücken. Lebensquellen schöpfen, hüten und pflegen.

Der Schmerz über die verlorengehende Vielfalt des Lebens. Die Freude über den Vogelflug und die Trauer angesichts dessen, was fehlt. Milliardenfach schwindendes Leben.

Gegenwart.